Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Stefan Zweigs „Schach“ und den Werken Dostojewskis oder Kafkas im Genre des Psychothrillers?

Stefan Zweigs „Schach“ (1942) ist ein Meisterwerk des Psychothriller-Genres, das die inneren Konflikte des Einzelnen, existenzielle Krisen und die Grenzen der menschlichen Seele thematisiert. Im Vergleich zu den Werken von Dostojewski und Kafka konzentrieren sich die Ähnlichkeiten von „Chess“ insbesondere auf Themen wie die Fragilität des menschlichen Bewusstseins, den individuellen Widerstand gegen Autoritäten, das Absurde und die Existenzangst. Im Folgenden werde ich diese Ähnlichkeiten aus philosophischer Sicht im Detail untersuchen.

  1. Fragilität des menschlichen Bewusstseins und innere Konflikte

In Zweigs „Schach“ stellen Dr. B.s Nervenzusammenbruch unter der Folter der Nazis und das fragile Gleichgewicht, das er durch Schach wiederherstellt, die Grenzen des menschlichen Bewusstseins in Frage. Dr. B.s Bemühen, seinen Verstand zu bewahren, indem er in der Zelle im Kopf Schachzüge durchspielt, ähnelt der Auseinandersetzung des Untergrundkämpfers mit seinem eigenen Bewusstsein in Dostojewskis Aufzeichnungen aus dem Kellerloch. Während der Untergrundmensch seinen freien Willen und seine existentielle Wut als Rebellion gegen die Gesellschaft verinnerlicht, entwickelt Dr. B. einen mentalen Widerstand gegen äußere Autoritäten (Nazis). Beide Charaktere zeigen, dass das Bewusstsein sowohl Zuflucht als auch Falle sein kann: Für Dr. B. ist Schach eine Metapher für Freiheit, wird aber auch zu einem Labyrinth, das ihn in den Wahnsinn führt.

In Kafkas „Die Verwandlung“ symbolisiert Gregor Samsas Verwandlung in ein Insekt die Entfremdung des Individuums von seinem eigenen Körper und Bewusstsein. Gregors Bruch mit seinen gesellschaftlichen Rollen, Dr. B., verläuft parallel zu B.s Einsamkeit in der Zelle. In beiden Werken versucht der Einzelne, seiner eigenen Existenz angesichts der Sinnlosigkeit und Unterdrückung der Außenwelt einen Sinn zu geben, doch dieses Bemühen führt oft zu einer absurden Niederlage. Philosophisch stehen alle drei Autoren Kierkegaards Konzept der „existenziellen Angst“ nahe: Wenn der Mensch sich seiner Freiheit bewusst wird, wird er unter der Last dieser Freiheit erdrückt.

  1. Individueller Widerstand gegen Autoritäten

Der mentale Widerstand von Dr. in Chess B. gegen seine Nazi-Folterer kann mit Raskolnikows Rebellion gegen moralische und soziale Normen in Dostojewskis Schuld und Sühne verglichen werden. Während Raskolnikov mit seinem eigenen Ideal des „überlegenen Menschen“ die Autorität herausfordert, wird Dr. B. durch seinen Kampf gegen Czentovic auf dem Schachbrett mit der Sinnlosigkeit konfrontiert, die ihm ein totalitäres Regime auferlegt. Allerdings ist Zweigs Ansatz weniger metaphysisch und säkularer als der von Dostojewski. Dr. B.s Widerstand ist keine Abrechnung mit Gott, sondern mit den Grenzen des menschlichen Geistes.

In Kafkas „Der Prozess“ wird Josef K.s Kampf gegen eine unverständliche bürokratische Autorität dargestellt. Er trägt eine ähnliche Absurdität in sich wie B.s mentaler Widerstand gegen das Nazi-Regime. In beiden Werken ist die Autorität eine unsichtbare, aber allgegenwärtige Kraft. Während Kafkas Autorität eine metaphysische Mehrdeutigkeit in sich trägt, ist Zweigs Autorität historisch und konkret (Nationalsozialismus). Philosophisch gesehen lassen sich diese Gegensätze mit Foucaults Konzept der „Macht“ in Verbindung bringen: Während Zweig die physische und mentale Unterdrückung durch Macht betont, schildert Kafka die abstrakte und allgegenwärtige Natur der Macht.

  1. Absurde und existenzielle Angst

Zweigs Schach vermittelt eine Atmosphäre, die Camus’ Konzept des „Absurden“ nahekommt. Dr. B.s Kampf auf dem Schachbrett ist eine Metapher für die Suche nach Sinn in einer sinnlosen Welt. Dies entspricht Kafkas Versuch, Josef K.s Verbrechen in „Der Prozess“ zu verstehen. Beide Charaktere versuchen, der Sinnlosigkeit des Universums oder der Autorität einen Sinn entgegenzusetzen, doch diese Bemühungen enden normalerweise in einer Niederlage. In Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“ kreuzt sich die existenzielle Krise, die Iwan Karamasow durchlebt, als er die Existenz Gottes in Frage stellt, mit diesem absurden Thema. Ivans Aussage „Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt“, Dr. B. spiegelt eine ähnlich nihilistische Fragestellung wider wie die Hinterfragung seiner eigenen moralischen und geistigen Grenzen auf dem Schachbrett.

  1. Die Ästhetik des Psychothrillers

Zweig, Dostojewski und Kafka verwenden eine ähnliche Intensität, um psychologische Spannung zu erzeugen. Dass sich das Schachspiel in Zweigs „Schach“ allmählich in ein mentales Duell verwandelt, ähnelt der Fieberhaftigkeit der Glücksspielszenen in Dostojewskis „Der Spieler“. In beiden Werken wird das innere Chaos der Figuren durch ein äußeres Spiel ausgedrückt. In Kafkas „Die Verwandlung“ liegt die Spannung eher in Gregors Entfremdung von seinem eigenen Körper und seiner Familie. Alle drei Autoren ästhetisieren die unkontrollierbaren Impulse und Wünsche der menschlichen Seele auf eine Weise, die Schopenhauers Konzept des „Willens“ nahesteht.

  1. Unterschiede und Zweigs Originalität

Anders als die metaphysische Tiefe Dostojewskis und die absurde Universalität Kafkas ist Zweigs „Schach“ fest in einem historischen Kontext (Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus) verankert. Während sich Dostojewskis Figuren oft um universelle Fragen zu Gott, Moral und der menschlichen Natur drehen, verlieren sich Kafkas Werke in einem bürokratischen und metaphysischen Universum. Zweig hingegen setzt den mentalen Widerstand des Einzelnen in Beziehung zu einer konkreteren historischen Tragödie. Dadurch wird Zweigs Werk weniger zu einer universellen, sondern vielmehr zu einer direkteren politischen Kritik.